Publiziert: 07 Okt. 2024
Aktualisiert: 09 Jan. 2025
Die Abrechnung der Energiewende - Immobilia Artikel von Cyrill Burch
Für die Immobilienwirtschaft brechen neue Zeiten bei den Energienebenkosten an.
Die Verwaltung von Heiz und Nebenkosten kann eine Herausforderung sein. Umso wichtiger ist es, das Portfolio fit zu machen für die Energie wende.
TEXT— CYRILL BURCH
Sie finden die Septemberausgabe der Immobilia Zeitschrift des svit online unter
-> https://www.svit.ch/sites/default/files/2024-09/Immobilia_low_0924.pdf
Seit den 1970er-Jahren installierte Heizkostenabrechnungslösungen führten oft zu einem Lock-in- Effekt, welcher über 50 Jahre andauert. Es wurden proprietäre Systeme verbaut, bei denen die Zähler exklusiv mit einer Abrechnungsdienstleistung kompatibel sind.
Diese Zähler haben oft eine bestimmte Laufzeit, nach der der Dienstleister neue proprietäre Geräte verbaut. Gleichzeitig gelten lange Kündigungsfristen für die Abrechnungsdienstleistungen. Im Rahmen der Energiewende kommen neue Energiearten hinzu, und Häuser und Quartiere werden zu Energie-Hubs. Solarstrom kann intern verteilt, gespeichert, verkauft oder in Wärme sowie E-Mobilität gewandelt werden.
Dass die Immobilienverwaltung den Zeitpunkt trifft, die Systeme zu kündigen und zu ersetzen, ist aufwendig und unwahrscheinlich. Über ein ganzes Portfolio gesehen, gibt es somit Dutzende Ansprechpartner, was den Koordinationsaufwand für die Verwaltung deutlich erhöht. In Deutschland spricht das Kartellamt gar vom «Lock-in-Effekt» im Oligopol der Heizkostendienstleister.
Um beispielsweise ein ESG-Reporting (Environmental Social Governance) zu gewährleisten, brauchen Immobilienverantwortliche die Kontrolle über ihre Daten. Nachhaltigkeitsvorgaben im Immobilienbereich gehen zudem oft mit neuen Anforderungen an das Portfoliomanagement einher. Je weniger nachhaltig das Portfolio, desto grösser die Gefahr eines plötzlichen erheblichen Wertverlusts des Portfolios durch politischen Druck. Dies wird als «Stranded Asset» bezeichnet.
Dabei verliert eine Investition vor dem Ende der ursprünglich geplanten Nutzungsdauer an Wert, insbesondere dann, wenn beispielsweise frühzeitig Renovationen erzwungen werden. Um solche «Stranded Assets» zu verhindern, gewinnen Monitoring-Tools und ESG-Analysen an Bedeutung. Es zeigt sich, wie aufwendig es ist, Daten zusammenzutragen.
Viele proprietäre Lösungen möchten aus strategischen Gründen keine automatisierte Datenabgabe in hoher Auflösung ermöglichen. Dies führt zu viel manueller Arbeit bei der Erstellung von ESGReports, obwohl moderne Immobilien zunehmend enorme Datenmengen praktisch in Echtzeit erheben.
Um den Bauherren und der Verwaltung eine zukunftsfähige, günstige und offene Lösung zu ermöglichen, stehen die Fachplaner in der Pflicht. Diese setzen jedoch oft bereits bei der Ausschreibung einen proprietären Anbieter ein.
Primäre Argumente für eine im Voraus fixierte Lösung sind der verminderte Planungsaufwand und die hohe Akzeptanz von seit Jahrzehnten üblichen Lösungen. Mieter haben keinen Einfluss auf die Wahl der Anbieter, werden aber gezwungen, die Kosten über die Nebenkosten zu tragen. Der Druck auf Immobilienverantwortliche, eine Nachhaltigkeitsstrategie einzuführen, war zudem bisher nicht besonders gross.
Doch dies ändert sich mit der Pflicht zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen.
Um den erwähnten Herausforderungen zu begegnen, können unterschiedliche strategische Ansätze verfolgt werden:
Die erste zentrale Frage lautet: Wem gehören die Daten? Falls Besitz oder Eigentum der Messdaten sowie der personenbezogenen Daten unklar ist, ist es vorteilhaft, dies umfänglich abzuklären. Des Weiteren ist die Zugänglichkeit zu den Daten von herausragender Bedeutung. Es gilt zu klären, ob die Daten automatisiert abgerufen werden können oder ob aufwendige manuelle Prozesse erforderlich sind.
Zweitens ist es wichtig, offene Systeme zu benutzen. Die entscheidenden Rollen bei der Wahl des Systems liegen üblicherweise bei den Fachplanern (für Neubauten) und bei den Verwaltungen (für Bestandsbauten). Mit der Strategie, offene Abrechnungssysteme zu verbauen, kann eine nachhaltige strategische Wirkung erzielt werden. Dabei sind zwei Stufen nichtproprietärer Systeme zu beachten. Bei teilweise offenen Systemen können verschiedene Zähler an ein proprietäres Gateway angebunden werden. Bei einem komplett offenen System sind alle Komponenten jederzeit auswechsel- oder kombinierbar. Dies kann man mit der Frage testen: Kann ich den Abrechnungsdienstleister ohne Aufwand oder Umbau wechseln?
Und drittens sollte der Lebenszyklus des Bestands analysiert werden. Um das eigene Portfolio für die Energiewende zu modernisieren, braucht es eine Übersicht über den Lebenszyklus der Systeme und eine vorausschauende Strategie. Dies beinhaltet üblicherweise eine Kurzanalyse der Laufzeiten der Verträge über die Abrechnungsdienstleistungen sowie der Laufzeiten der Hardware. So kann ein Wechsel auf zukunftsfähige Systeme schrittweise geplant werden, ohne unnötig viele Ressourcen zu investieren.